
Für die Verantwortlichen war es damals sehr schwer einzuschätzen, wo und vor allem wie man sich in der neuen Umgebung positionieren konnte. Die Macher hatten überhaupt keine Erfahrungswerte, denn für die Region Rheintal war die Nationalliga B bis zum Aufstieg des FC Altstätten etwa so weit weg, wie der fernste Planet. Aber die Vorfreude war riesig und die Arbeiten, die auf den Verein zukamen ebenfalls. Diverse neue Vorschriften und Reglemente mussten bis zum Saisonstart (15. August 1981) studiert, respektive erledigt werden. Das Flutlicht beispielsweise musste an die Anforderungen der Nationalliga B angepasst werden. Eine komplette Umzäunung der Anlage war ebenfalls von höchster Priorität und gleichzeitig wurden neue Kassahäuschen und Spielerkabinen errichtet. Im Zuge dieser sanften Anpassung an die neue Umgebung war sogar geplant, bis Ende 1983 eine neue Tribüne mit gedeckten Sitzplätzen zu errichten. Aber leider blieb es bei dieser Idee, denn die Baupläne liegen bis heute in irgendeiner Schublade und schimmeln vor sich hin. Schuld daran hatte sicher auch das Stimmvolk von Altstätten. Dieses schickte nämlich 1982 die Vorlage «Renovation und Ausbau der Sportanlage GESA» unverständlicherweise bachab. Ende November 1981, unmittelbar nach dem Sieg gegen den FC Grenchen, wurde die Bürgerversammlung abgehalten, an der sich einige Wichtigtuer und Sporthasser in den Vordergrund drängelten. Eine Person, deren Namen mir glücklicherweise nicht mehr geläufig ist, sagte vor versammeltem Volk: «Wenn eine Mannschaft gewinnt, dann kann sie offensichtlich auch richtig trainieren, deshalb ist ein Ausbau nicht nötig!» Mit so einer Aussage würde man heutzutage auf dem Scheiterhaufen landen! Schade, denn eine grosse Chance wurde damals verpasst.
Die neuen Spieler / keine Stars aber willige Talente
Der Kader musste nach dem Aufstieg unbedingt vergrössert und wenn möglich verstärkt werden, aber der Präsident und seine Vorstandskollegen mussten mit sehr bescheidenen Mitteln auskommen. Das hiess, dass man in erster Linie die unteren Ligen durchforsten musste, um günstige Lösungen zu finden. Die Ausnahme bildete nur Vincente Secci, den man zu moderaten Konditionen für ein Jahr von den Grasshoppers Zürich übernehmen konnte. Am 30 Juli, also nicht einmal 30 Tage nach dem Aufstieg in die NLB, stellte der Verein an einer Pressekonferenz 9 neue Spieler vor. Die Verantwortlichen hatten also ganze Arbeit geleistet und mit dem Brasilianer Secci ist ihnen sogar ein grosser Wurf gelungen.
Obwohl die «Neuen», ausser Secci, samt und sonders aus den unteren Ligen entsprangen, muss und darf doch angemerkt werden, dass praktisch alle Spieler ihre Einsatzminuten in der Nationalliga B bekamen. Und das war einfach toll, denn die wenigsten Fussballer in der Schweiz dürfen das von sich behaupten.
Einige von ihnen wurden sogar Stammspieler und über die Saison hinaus absolute Teamstützen. Die Mannen im Vorstand hatten also nicht alles falsch, sondern sehr vieles richtig gemacht!
Die neuen Gegner / derselbe Trainer
Zum vergrösserten Kader und zu den neuen Gegnern meinte Trainer Ernst Hasler damals: «Die Trainingseinheiten werden wir vordergründig auf Schnelligkeit und Kondition auslegen. Wir müssen topfit in die neue Saison, um mit unserem Konterspiel gefährlich zu sein. Mit dem Kader muss ich zufrieden sein, obwohl uns ein zusätzlicher Flügelstürmer noch gut tun würde». Auf die Favoriten angesprochen, meinte Hasler: «Wettingen, Lugano und Grenchen sehe ich ganz vorne. Wenig Kredit gebe ich dem FC Bern und Mendrisio, aber auch die Neulinge werden hart beissen müssen. Meine Mannschaft gehört da auch dazu, doch ich hoffe, dass wir einen Schlussrang vor dem 14.Platz einnehmen. Wir müssen aber realistisch sein und wenn vom Vorstand aus das Ziel so ausgerichtet wird, nicht abzusteigen, können wir das schaffen». Weise Worte eines weisen Trainers, der damals bereits vor dem Saisonstart öfters darauf hingewiesen hatte das ihm zwei schnelle Flügelstürmer fehlen. Aber leichter gesagt als getan. Das Transferfenster gab nicht mehr viel her und bereits damals musste man die Geldschatulle weit öffnen, um an erfahrene Spieler zu gelangen. Diese Position mussten dann ab und zu der Brasilianer Secci einnehmen, obwohl er eigentlich als Mittelfeldregisseur verpflichtet wurde.
Die damals 32 besten Schweizer Clubs der Saison 1981/82 im Überblick
Nationalliga A Nationalliga B
FC Aarau FC Altstätten
FC Basel FC Aurore – Biel
AC Bellinzona FC Bern
FC Bulle FC Biel
FC Chiasso CS Chenois GE
GC Zürich FC Frauenfeld
Lausanne Sports FC Fribourg
FC Luzern FC Grenchen
Nordstern Basel FC Ibach
FC St.Gallen FC La Chaux-de.Fonds
Servette Genf FC Locarno
FC Sion FC Lugano
Vevey-Sports Mendrisiostar
Xamax Neuchâtel FC Monthey
YB Bern FC Wettingen
FC Zürich FC Winterthur
Wie sich der FC Altstätten in dieser Nationalliga B Saison in Szene setzte ist auf den folgenden Seiten nach zu lesen.
Als Bonus werden alle damaligen Gegner und ihre Sportanlagen kurz vorgestellt.
Es gibt also viel Interessantes zu entdecken.
LINUS MOSER – DER LIBERO
Im Fussball war der Libero ein Verteidigungsspieler ohne direkten Gegenpart. Er spielte in der Verteidigung hinter einem sogenannten «Vorstopper» meistens in einem 4-3-3 oder 3-4-3 System. Aufgrund des fehlenden direkten Gegenspielers konnte er sich auch problemlos in den Angriff einschalten. Wer in einer Mannschaft diese Rolle übernehmen wollte, hatte spezielle Voraussetzung zu erfüllen, damit das System auch funktionierte. Ein guter Libero war technisch versiert, hatte ein gutes Auge für das Spiel und war der ruhende Pol innerhalb der Mannschaft, denn er durfte auf keinen Fall die Nerven verlieren. Auch wenn der Gegner auf seine Verteidigung massiv Druck ausübte, musste er ruhig bleiben, um die Verbindung zwischen dem Torhüter und dem Mittelfeld aufrecht zu erhalten. Ein solcher Spieler hatte grosses Ansehen im Verein und war bei Siegen, aber auch bei Niederlagen oft im Brennpunkt. Aber der Fussball wandelte sich und heutzutage spielen die Vereine ohne Libero. In den Neunzigerjahren stellten die Trainer auf 3er oder 4er Abwehrketten um. Aber nicht selten waren vor allem in den Amateurligen die Spieler und deren Trainer mit dieser Spielart hoffnungslos überfordert. Diese «Überforderung» ist auch in der Gegenwart noch häufig festzustellen. Beispielsweise, wenn eine Mannschaft Verteidigungsprobleme hat oder grundsätzlich unsicher wirkt. Dann wäre ein Spiel mit Libero mit Bestimmtheit auch heute noch ein probates Mittel um dem entgegenzuwirken aber leider traut sich kein Trainer mehr, mit diesem «veralteten System» zu spielen. Man muss schliesslich «modern» spielen………

Schade, denn interessanterweise stellte man unlängst fest, dass speziell im Nachwuchsbereich immer mehr Trainer wieder dieses klassische System benutzen und dadurch auf dem Spielfeld viel mehr Ruhe erwirken. Der «Libero» gehört also doch noch nicht in den Mottenschrank und dieser Meinung ist auch Linus Moser (im Bild). Er war eine Koryphäe auf dieser Position und erlebte so manche Schlachten auf dem Rasen. Jahrelang war er ein Garant für Zuverlässigkeit, Konstanz und Standhaftigkeit und das auf den höchsten Amateurstufen der Schweiz. Moser gehörte in der glorreichen Zeit des FC Altstätten zu den ganz Grossen und hatte massgeblichen Anteil für den sensationellen Aufstieg in die damalige Nationalliga B.

Der filigrane Maestro organisierte seine Vorderleute immer mit viel Ruhe und wenig Worten und wenn man ihn heutzutage in seinem Coiffeur-Salon besucht, merkt man rasch, dass er seine Schere immer noch so elegant behandelt wie damals das runde Leder. Der Altstätter Coiffeur-Meister ist ein Sympathieträger und ein hervorragender Geschichteerzähler. Ihm zuzuhören, wenn er über jene glorreichen Zeiten referiert, ist schlicht sensationell. Seine Geschichten sind spannend, lehrreich, oft sehr amüsant und sein Erzähltalent alleine würde reichen, um ein abendfüllendes Programm zusammen zu stellen. Lachend erklärte Linus Moser warum er beim ersten NLB-Spiel gegen Lugano beinahe zu spät kam». Das Spiel in Lugano war auf 20.00 Uhr angesetzt. Die Mannschaft fuhr ohne mich mit dem Car ins Tessin, denn ich hatte noch Kundschaft in meinem Salon und habe das dem Trainer auch so mittgeteilt. Um 16.00 Uhr stand ich immer noch in meinem Geschäft und bemerkte, dass es langsam «knapp» wurde und setzte mich alsbald hinter das Steuer. Da ich nach diesem harten Arbeitstag etwas müde war, machte ich auf halber Strecke einen kurzen Kaffeehalt. Knapp 30 Minuten vor Spielbeginn kam ich dann endlich in Lugano an. Trainer Hasler war bereits sehr nervös und schrie mir zu, «Wo bleibst du denn?» «Ich bin ja jetzt da habe ich ihm zugerufen und er schüttelte bloss den Kopf». Hasler aber wusste um die Stärke seines Liberos und stellte ihn gleich wohl in die Startformation. Moser gelang ein ausgezeichnetes Spiel und sorgte mit seiner Ruhe und seiner Technik im Stadion Cornaredo für einiges Aufsehen. «Lugano war im eigentlichen Sinne mein Lieblingsgegner» sagt Moser. «Ein halbes Jahr vor dem Aufstieg durften wir die Tessiner im Cup-1/16-Final empfangen und gewannen dieses Spiel sehr überraschend und zur Freude unserer Fans im Penaltyschiessen (siehe Kapitel IX). Es war ein unvergessliches Spiel mit einer unglaublichen Atmosphäre. Sekunden nach dem Schlusspfiff war das Spielfeld überfüllt mit jubelnden Fans und es war beinahe ein Wunder, dass wir da lebend in die Kabine kamen», meinte er lachend. Eine weitere Klamotte von Moser ist jene, als er in einem Aufstiegsspiel in Balzers den Schiedsrichter k.o. schoss. «Das Spiel war auf der Kippe und als ein hoher Ball auf mich zuflog, gab es nur ein Rezept. Weg mit diesem Ding. Ich traf den Ball aus der Luft perfekt und wuchtete das Leder weg. Unglücklicherweise aber stand der Schiedsrichter in der Flugbahn und sackte, vom Ball schwer am Kopf getroffen, zusammen und blieb bewusstlos liegen. Pfleger rannten auf den Platz und kümmerten sich um das Opfer». Man nimmt dem Altstätter ab, als er anfügte, dass es ihm dabei nicht mehr wohl war. Aber alles ging gut. Mit breitem Rheintaler Dialekt fügte er grinsend an «dä Chog isch zmol wieder ufgstanda». Der Spielleiter kam tatsächlich wieder zu sich und pfiff die Partie sogar zu Ende.
Der passionierte Libero erlebte in seiner Fussballerlaufbahn viel Unvergessliches. Skurrile Geschichten und einschneidende Veränderungen. Eine jener grossen Veränderungen war die Bekanntschaft mit Trainer Helmut Richert, der in der Nationalliga B zu den Rheintalern stiess. «Der Deutsche Profitrainer hievte uns im taktischen Bereich auf ein völlig neues Level. Er brachte uns Dinge bei, die auch heute noch in vielerlei Hinsicht Bestand haben. Wir entwickelten einen gegenseitigen gesunden Respekt und setzten seine Ideen eins zu eins um, was uns grosse Bewunderung im Umfeld und bei vielen Gegnern einbrachte».
Man könnte Linus stundenlang zuhören. Er ist ein toller Mensch mit einem erstaunlichen Flair für Situationskomik auf höchstem Niveau.

Hier treffen sich immer noch Fussballer, Veteranen und Fans von damals. Sie erzählen sich Geschichten von damals und bringen jener glanzvollen Zeit den gebührenden Respekt entgegen.
Es gibt in Altstätten einige Ecken, die an die grosse Zeit des Vereins erinnern. Dieser heimelige Coiffeur-Salon an der Flurstrasse 9 gehört definitiv auch dazu.